Titelbild Schatten

Das Klopfmännchen

Einst war Niederbrechen eine Stadt, die von einer hohen Mauer mit zwölf Türmen umgeben war. Zwei Stadttore, das Ober- und das Untertor, führten in die Stadt. Außer diesen befand sich noch ein geheimes Türchen, das Posttürchen in der Mauer, das durch die dichten Hecken auf dem Wallgraben vor der Mauer von außen nicht zu erkennen war. In der Stadt selbst stieß eine enge Sackgasse, das Rosengässchen, auf diese geheime Pforte. Ein besonders zuverlässiger Einwohner der Stadt, der in diesem Gässchen wohnte, hatte den Schlüssel dazu und das Recht, den Vertrauten, die Pforte zu öffnen. Einst verriet ein Mann aus Niederbrechen den Feinden der Stadt diesen geheimen Zugang. Er führte sie in dunkler Nacht an die Pforte heran und veranlasste den Hüter derselben, durch das ihm bekannte Klopfzeichen die Pforte zu öffnen. Als die Feinde den Pförtner überwältigen wollten, gab es Lärm; die Bürger eilten herbei, vertrieben die Feinde und fingen den Verräter. Diesen ereilte für seinen Verrat die verdiente Strafe: er wurde zum Tode verurteilt und enthauptet. – Weil er nicht in geweihter Erde begraben werden konnte, musste er als ruheloser Geist umgehen. Zuweilen erschien er auch an dem Türchen, wo er sich durch eigenartiges Klopfen bemerkbar machte. Öffnete dann der Pförtner das Türchen, so sah er das Klopfmännchen, das, auf einem schwarzen Pferde sitzend, seinen Kopf unter dem Arm trug und sich in Richtung des alten Holzweges entfernte. Von der Zeit an, als die ersten Häuser vor die Stadtmauer gebaut wurden, sah man das Klopfmännchen nicht mehr.


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